Wie es zu dem (lückenhaften) Tabakwerbeverbot kam

Zigaretten sind die einzigen Produkte, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Hälfte ihrer Konsumenten umbringen. Um die Tabaktoten zu ersetzen, sind die Zigarettenhersteller auf Werbemaßnahmen angewiesen, die Nichtraucher zum Einstieg in das Rauchen animieren. Tabakkonsumenten bleiben meist der Marke treu, mit der sie das Rauchen angefangen haben. Darum stehen die Konzerne unter dem ökonomischen Zwang, möglichst frühzeitig auf ihre potentiellen Kunden einzuwirken. Die Zielgruppe der Jugendlichen wird in firmeninternen Strategiepapieren mit Tarnvokabeln wie „starter“, „learner“ oder „entry level user“ umschrieben. Wie eine Zigarettenwerbung aussieht, die bei minderjährigen Nichtrauchern den Eindruck erzeugt, Rauchen sei cool, belegt das Beispiel der Be Marlboro-Kampagne von Philip Morris.

Um die Jugend zu schützen, darf in den meisten europäischen Ländern schon seit Langem nicht mehr für Zigaretten geworben werden. In Deutschland haben Gesundheitsexperten jahrzehntelang dasselbe gefordert – vergeblich. Zu gut waren die Kontakte der Tabaklobby in die Parteiführungen unterschiedlichster Couleur. Im April 2016 schien es dann endlich so weit zu sein: Das damalige Bundeskabinett verabschiedete einen Gesetzentwurf, der u.a. ein Verbot der Außenwerbung und eine Beschränkung der Kinowerbung für Zigaretten vorsah. Doch die Kabinettsvorlage stieß beim Wirtschaftsflügel der CDU/CSU auf Ablehnung und wurde bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zur Abstimmung in den Bundestag eingebracht. Auch der Versuch von Gesundheitspolitikern, bei der Neuauflage der Großen Koalition im Frühjahr 2018 ein Tabakwerbeverbot im Koalitionsvertrag zu vereinbaren, scheiterte.

Um eine weitere jahrelangen Blockade zu vermeiden, arbeitete die Dieter Mennekes-Umweltstiftung (DIMUS) gemeinsam mit dem Frankfurter Suchtforscher Heino Stöver einen Kompromissvorschlag aus. Er lief darauf hinaus, das Werbeverbot für Tabakprodukte strenger zu handhaben, als der Kabinettsentwurf aus dem Jahr 2016 es vorsah. Dafür sollte die Möglichkeit, für E-Zigaretten zu werben, bestehen bleiben. Der Vorschlag ging von der Prämisse aus, dass E-Zigaretten wesentlich weniger gesundheitsschädlich sind als herkömmliche Tabakprodukte. Mit ihrem Plädoyer für eine produktspezifische Regelung grenzte sich die Stiftung von den Pauschalforderungen anderer Interessenvertreter ab. Die Zigarettenindustrie – vertreten durch den „Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse“ – wollte sowohl für Zigaretten, als auch für E-Zigaretten weiter werben wie bisher. Dagegen forderten Ärzteverbände – vertreten durch das „Aktionsbündnis Nichtrauchen“ –, die Werbung für Zigaretten und E-Zigaretten gleichermaßen zu verbieten.

Dieter Mennekes erläuterte im August 2019 in einem persönlichen Brief an sämtliche Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU die Details des Kompromissvorschlags. Tatsächlich wurde die Idee, verschiedene Produkte unterschiedlich zu regulieren, zur Grundlage des Gesetzentwurfs, den der Bundestag im Juni 2020 verabschiedet hat. Demnach tritt am 1. Januar 2021 ein Außenwerbeverbot für Zigaretten in Kraft. Für E-Zigaretten darf dagegen bis Anfang 2024 weiter geworben werden. Anders als es der Vorschlag der DIMUS vorsah, bleibt das Sponsoring von Großveranstaltungen durch Tabakkonzerne in Deutschland erlaubt. Davon profitieren nicht nur die vielen Musikfestivals, auf denen für Zigaretten geworben wird, sondern auch die Parteien, die sich ihre Parteitage von Zigarettenherstellern sponsern lassen.

DIMUS E-Zigaretten Faktencheck

Der DIMUS CDU-Brief