Wie Bayern rauchfrei wurde

In Italien gehört die Einführung der rauchfreien Gastronomie im Jahr 2005 zu den Erfolgsgeschichten der Gesundheitspolitik. Die bayerische Landesregierung hat sich daran orientiert und Ende 2007 ein generelles Rauchverbot in Gastgewerbe erlassen. Doch die Einhaltung des Gesetzes wurde kaum kontrolliert. Nach den Landtagswahlen im September 2008 ist das Rauchen in Nebenräumen und kleinen Kneipen auf Druck der Tabaklobby auch offiziell wieder erlaubt worden. Mit dieser Entwicklung wollte sich die ÖDP – eine konservativ-christlich orientierte Abspaltung von den Grünen – nicht abfinden. Die kleine Regionalpartei startete ein Volksbegehren für ein Rauchverbot ohne Ausnahmen. Ihrer Initiative schlossen sich in kurzer Zeit zahlreiche weitere Organisationen an, darunter medizinische Fachgesellschaften, Nichtraucherinitiativen und Sportverbände. Ende 2009 setzten sich innerhalb von zwei Wochen 1,3 Millionen Wähler aus Bayern mit ihrer Unterschrift für einen konsequenten Nichtraucherschutz ein.

Obwohl bei dem Volksbegehren die erforderliche Zustimmungsquote von 10 % der Wahlberechtigten deutlich übertroffen worden war, hielt die Regierungskoalition aus CSU und FDP an den Ausnahmeregelungen für Raucherkneipen fest und setzte für den 4. Juli 2010 eine Volksabstimmung an. Vertreter der Tabakindustrie deklarierten dieses Datum zu einem Schicksalstag für die gesamte Branche. Um das Volksbegehren zum Scheitern zu bringen, gründeten sie mit Brauereien, Wiesnwirten, Werbeagenturen und Betreibern von Spielhallen ein „Aktionsbündnis für Freiheit und Toleranz“. Offiziell verfügte das Bündnis über ein Budget von 615.000 Euro –wahrscheinlich war aber sehr viel mehr Geld im Spiel. Unzählige Flyer warnten vor einem „massenhaften Kneipensterben“ und sagte Tumulte auf dem Oktoberfest voraus, sollte es zu einem Rauchverbot kommen. Auf Hunderttausenden von Plakaten prangte der Slogan „Bayern sagt Nein“. Tabakhändler verteilten mehr als 1,5 Millionen Gratisfeuerzeuge mit Parolen wie: „Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf.“

Dagegen waren die Befürworter des Rauchverbots auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen. Die größte Einzelspende erhielten sie von Dieter Mennekes. Dietmar Jazbinsek war als Vertreter der Umweltstiftung Mitglied im Organisationskomitee des Volksbegehrens. Er formulierte Spendenaufrufe und Pressemitteilungen, beteiligte sich an der Gestaltung von Broschüren, Plakaten und Radiospots, schrieb Beiträge für die Internetseite der Initiative und veröffentlichte einen eigenen Rechercheblog. Am Tag der Volksabstimmung votierten 2,1 Millionen Wähler für eine rauchfreie Gastronomie – das entsprach einer Mehrheit von 61% der abgegebenen Stimmen. Nie zuvor haben sich in Europa so viele Bürger für ein Anliegen der Tabakkontrolle engagiert. Am 1. August 2010 wurde das Rauchen in allen bayerischen Restaurants, Bars und Bierzelten verboten.

Die Stiftung hat den fünften Jahrestag des Volksbegehrens zum Anlass genommen, um eine Umfrage zur Akzeptanz der rauchfreien Gastronomie in Auftrag zu geben. Vier von fünf Befragten waren der Ansicht, dass sich das generelle Rauchverbot in Gaststätten und Festzelten bewährt hat. Dieter Mennekes stellte die Umfrageergebnisse im Sommer 2015 auf einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor. An der Münchener Pressekonferenz nahm auch eine Vertreterin der österreichischen Don’t smoke-Initiative teil. Der Erfolg in Bayern und das Engagement der Nichtraucherschützer in Österreich haben den Nationalrat noch im selben Jahr dazu veranlasst, ein Rauchverbot nach bayrischem Vorbild zu erlassen. Faktisch in Kraft getreten ist es im November 2019.